Autor Spreewaldgeschichten

 

 

Der Autor

 

Klaus-Dietrich Schmidt

 

geb. 07.05.1942; lebte lange Zeit in Cottbus und im Spreewald, verbrachte viel Zeit am Neuendorfer See in der Natur und beim Angeln; lebt heute in Schweden, in dem kleinen Örtchen Vaggeryd

 

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Spreewaldgeschichten aus meinen Erinnerungen, Klaus Schmidt, 2015, Vaggeryd-Schweden
Das Faltboot; Winterfreuden; Eine Mückennacht am Barzlin
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Spreewaldgeschichten

 

aus

 

meinen Erinnerungen

 

 

 

von Klaus Schmidt (Vaggeryd - Schweden; im Jahr 2015)

 

 

Das Titelbild ist ein Ölgemälde eines Malers M. Floring(?), welches Vater Willi 1963 in Lübbenau bei einem Kopisten Grüner anfertigen ließ. Ich war bei der Auswahl des Motives anwesend. Es stellt eine Frühjahreszene in Leipe dar. Das Bild hängt heute in unserer „Schlafkanzlei“.

 


 

                               Inhalt

 

 

 

 

                             1.      Das Faltboot

 

 

 

                      2.      Winterfreuden

 

 

 

                      3.       Eine Mückennacht am Barzlin

 

 

 

 

 

 

Die Fotos in diesen Erzählungen stammen teilweise aus verschiedenen Internetquellen und sind deshalb nur für den rein privaten Gebrauch.

 


 

1.Das Faltboot

Ende der 1950er erwarb ich von einer Kollegin bei der Energieversorgung in Cottbus ein gebrauchtes und deshalb preiswertes Faltboot. Die Bootsunterhaut bestand aus einer dicken reinen Gummischicht. Plaste war damals noch nicht allgegenwärtig. Vater Willi war der Finanzier.

 

Das Böötchen tat viele Jahre seinen Dienst, vor allem in der Umgebung von Lübben und im Unterspreewald. In der ersten Zeit wurde nur gepaddelt. Später kaufte Vater einen Anbaumotor und da wurde es erst richtig interessant. Dieser Motor war luftgekühlt und daher sehr rasch überhitzt. Außerdem sprang er schwer an. Nur in seltenen Fällen konnte er vom Boot aus angezogen werden. Meistens mußten wir am Ufer anlegen, aussteigen, mit vereinten Kräften das Boot halten, den Motor mittels einer Reißleine starten, vorsichtig einsteigen, um nicht in die laufende lange Schraubenwelle zu geraten, von Land abstoßen und dann die Schraubenwelle vorsichtig ins Wasser absenken. Bei Bekannten war dabei die Schraubenwelle stark verbogen worden. - Und dann ging es los. Ziemlich flott. Wir fühlten uns stolz und genossen die Fahrt - bis zum nächsten Halt!

 

Den Motor hatte Opa auf Anraten eines Freundes gekauft. Er war 100 Mark billiger als der gängige, bewährte und durchkonstruierte 2,5 PS "starke" Tümmler, den ich selbst später einige Jahre fuhr. Unser Motor hieß "Pfeil" mit der Aufschrift MAW (VEB Messgeräte- und Armaturen Werk Karl Marx Magdeburg-Buckau). Diese Motoren wogen etwa 6 kg ohne Zubehör und leisteten 1,4 Ps. Eingesetzt wurden die baugleichen "Teile" für Kettensägen, Außenbordbootsmotoren, Krankenfahrstühle, Rasenmäher, auch als stationäre Motoren. Berühmtheit erlangten sie jedoch als Fahradanbaumotoren, den vor allem in ländlichen Bereichen verbreiteten "Hühnerschrecks".

An eine, gepaddelte Fahrt kann ich mich noch recht gut erinnern. Wolfgang besuchte uns in Lübben. Wir wollten in den Unterspreewald. Der damals ca.8 bis 9 jährige Bernd ging uns beim Einpacken der Sachen und Fressalien und dem Beladen des Bootes in einem nahe gelegenen Fließ nicht von der Pelle. Er tat uns leid. Berndchen wollte  ein Abenteuer erleben. So wurden schließlich die Eltern überzeugt. Seine Sachen waren rasch zusammengesucht und mit ihm im Vorderteil des Bootes verstaut. Dann ging es los.

Die Schleuse am "Strandcafe" erfolgreich bezwungen und Spree und Unterspreewald lagen vor uns.

In der Gaststätte Petkamsberg erste Rast und Mittagspause . Man mußte sich schließlich die"Beine vertreten". Zum Mittagessen gab es rote Faßbrause und man hatte die Auswahl zwischen Bockwurst mit Kartoffelsalat, Bockwurst mit Brötchen oder Bockwurst mit Brot und mit oder ohne Senf dem     M O -. Ketschup war noch weitgehend unbekannt.

Danach fuhren wir weiter die Spree abwärts. Die Motorschleuse in Schlepzig war defekt. Boot und Gepäck waren umzutragen. Bernd half nach Kräften mit. Bald erreichten wir Leipsch. Durch den Spree-Dame -Umflutkanal paddelten wir zum Köthener See.  Man badete auf der Neuköthener Seite . Dann war die Insel unser Ziel. Der Volksmund nannte diese Insel, ebenso die im Neuendorfer See „Liebesinsel“. Weiß der Kuckuk warum? Eine Erklärung habe ich anzubieten. Eine sorbische Göttin hieß Liuba. Die Göttin Liuba, im Norden auch als Freya bekannt, ist Herrin der Morgenröte, des Mondes und des Frühlings. Sie ist die Schutzgöttin aller Liebenden. InKöthen gibt es heute eine Ferienanlage mit Namen Liubas Insel.



Damals gab es noch etwas Landwirtschaft darauf. Jedenfalls bereiteten wir uns ein "Bett" aus dort lagerndem Erbsenstroh unter freiem Himmel. Ein kleines Lagerfeuerchen und eine darauf gekochte Erbswurstsuppe beendete stimmungsvoll den Abend. Ermüdet von der anstrengenden Faltbootfahrt krochen wir in unsere selbst geschneiderten Schlafsäcke. Berndchen wurde in die Mitte genommen und mehr oder weniger frierend verging die Nacht. Der Morgenkälte wurde  ein Feuerchen und warmer Tee entgegengesetzt.

(2 Bemerkungen will ich noch einfügen:  -Von Schlafsäcken hatten wir gehört, aber noch keine gesehen. Unsere Mütter hatten jeweils aus 2 dünnen Decken einen Sack genäht und noch eine  Decke zum  Zudecken eingepackt. Das Berndchen lag mit mir in einem solchen „Schlafsack“.

Die Insel ist heute Teil eines Naturschutzgebietes, wild bewachsen und wird von einer größeren Kormorankolonie beherrscht.)

Die Rückfahrt war aber  anstrengender. Wir paddelten nun stromauf. Deshalb wurde die Nacht in einem Heuschober verbracht.

 

Bis nach Petkampsberg führte die Tour durch Fließe des Unterspreewaldes. Hauptsächlich wurde der Pulstrom befahren. Weißstörche, Graureiher, mehrere Eisvögel und Rehe konnten beobachtet werden. Ach ja, geangelt - schwarz natürlich- wurde auch. Allerdings ohne jeglichen Erfolg.

 

Müde, kaputt aber glücklich kamen wir wieder in Lübben an. Gepäck und Boot  verstauen und dann ausruhen. Das Berndchen war aufgekratzt, schlief dennoch rasch und zufrieden ein.

Wolfgang mußte jedoch noch  mit dem Zug nach Cottbus.

Das Boot wurde oft benutzt. Einige Male auch in den Oberspreewald. 

Mehrmals ging es zum Neuendorfer See. Während einer Fahrt zum Neuendorfer See führte Wolfgang  Tagebuch. Per Bleistift und mangels anderen Aufzeichnungsmaterials auf  Toilettenpapier. Ich habe dieses Jahrzehnte aufbewahrt. Später an Wolfgang weitergereicht. Nun will er eine Entzifferung versuchen.  Zu gegebener Zeit werde ich dies einfügen.

Später  lagerte das Gummifaltboot auf unserem Dachboden in Wilkau-Haßlau. 1973 begann unsere 40 jährige Campinglaufbahn in Neuendorf am See. Das Boot wurde mitgenommen. Beim Aufbau und dem Spannen der Haut gab es einen Knall. Die inzwischen altersschwache Gummihaut zerbarst. Unser erstes Faltboot beendete sein Leben und seine Laufbahn.

Unserer Tochter Barbara schenkten wir später ein modernes Faltboot mit Segeleinrichtung. Es wurde weniger benutzt. Camping am Neuendorfer See, ein Motorboot, erweiterte Reisemöglichkeiten und andere Interessen ließen es wieder im Dachbodenlager für Jahre verschwinden. Gegen Ende der DDR kam es kurzzeitig zu neuen Ehren. Ute und ich begannen mit dem Paddeltraining. Eine 2-Tagestour begann am Springsee und führte durch den Glubigsee zum Scharmützelsee. In einem 2-Mann-Zelt übernachteten wir auf dem Campingplatz Bad Sarow-Pieskow. Andern Tags die Rückfahrt.

Die Wende kam, die Wahlen vom März 1990 ...und mein Arbeitsverhältnis sollte mit einem Resturlaub enden. Eine Kommission aus einem delegierten "Wessi" und geläuterten ehemaligen Kollegen und nun plötzlich praktizierenden Christen hatte festgestellt, ich sei  "überqualifiziert" und somit nicht verwendungsfähig in der jetzigen Kreisverwaltung.       Also nun Abschlußurlaub! Mit Heidrun und Wolfgang wollten wir eine Mehrtagestour auf der Müritz unternehmen. In Neuendorf war das Auto gepackt und das Boot auf dem Dachgepäckträger befestigt. In der Nacht geschah es. Ich erlitt einen schweren Herzinfarkt. Nur durch beherztes Handeln von Ute und unserer Freundin Marga Richter wurde ich mit der schnellen medizinischen Hilfe ins Krankenhaus nach Lübben gebracht.

Das Unternehmen Faltboot endete endgültig auf dem Hausboden und Jahre später im Abfall. Nähte waren geplatzt und Spanten gebrochen.

 

2. Winterfreuden

 

1960 begann ich in Dresden mit dem Studium an der Arbeiter und Bauern Fakultät (ABF). Das Ziel, Erreichen der Hochschulreife durch ein Fachabitur. Zum Februar 1961 wechselte ich an die ABF nach Berlin. Die Dresdener gingen für 6 Wochen ins mecklenburgische Torgelow zur Reservistenausbildung. Auf Grund des besonderen Status von Berlin blieb mir dieser "Ausflug" erspart. Ich hatte also bis zum Semesterbeginn in Berlin extra Ferien. Diese nutzte ich in Lübben um mein Stipendium durch Arbeit in einer nahe gelegen Lehmgrube einer Ziegelei aufzustocken. Bei 16 Grad Kälte eine ziemliche Schinderei.

 

Abends wurden glühende Kohlen auf das Areal ausgestreut,welches andern Tages abgebaggert werden sollte. Morgens legten wir Feuer unter die Förderkette des Baggers. Auftauen war die Devise. Der Lehm wurde in Loren gebaggert. Dann schoben diese straffällige Jugendliche in die Ziegelei. Ich war "Mädchen für alles". Feuern, Bagger in Gang setzen, Loren ordnen usw. Am Nachmittag war ich fix und fertig, aber am Ende stimmte das Geld.

  

Schlittschuhlaufen war damals ein besonderes Vergnügen. Weite Wiesenflächen waren überschwemmt und zugefroren.

 

Noch  Anfang der 60er Jahre bin ich mit Studentenfreunden öfter von Lübben übers Eis ins Gasthaus Bukoitza gelaufen.Ich glaube es lag am Eich-Kanal, aber man ist ja schon ein alter vergeßlicher Sack.

 

Der damalige Wirt freute sich über den Besuch, den Austausch von Neuigkeiten und das jugendliche Leben. Mehrmals gab er eine Runde Kirschlikör aus. Da es zeitig dunkel wurde, gestalteten sich die Rückfahrten oft etwas abenteuerlich. Man mußte beim Passieren der Spree aufpassen. In einer schmalen Fließrinne gab es meist nur schaumiges, dünnes Eis.
Ich bin einmal nur durch die hohe Geschwindigkeit darüber mehr gefallen als gelaufen und so einem Unglück entgangen.

 

Heute ist das Gasthaus dem Verfall preisgegeben. Das gesamte Areal steht zum Verkauf.

 

3. Eine Mückennacht am Barzlin

1963 legte man in der DDR die Arbeitsgerichte mit den ordentlichen Gerichten zusammen. Der Lübbener Arbeitsgerichtsdirektor Willi Schmidt wurde zum Vorsitzenden Richter der Kammer für Arbeits- und Familienrecht an das Kreisgericht Calau mit Sitz in Lübbenau berufen. Das Gerichtsgebäude war seit 1910 im sogenannten Torbogenhaus untergebracht. Im Torbogen hängt auch heute noch ein Unterkieferknochen eines Grönlandwales. Dieser war ein Geschenk aus Hamburg von einem Kaufmann an seine Geburtsstadt . Das Torbogenhaus ist nunmehr Heimstädte des Spreewaldmuseums.

 

Die Familie Schmidt  musste wieder einmal umziehen. In der Lübbenauer Neustadt erhielten wir eine 2 2/2 - Zimmer Plattenneubauwohnung. Die Neustadt war im Zuge des Kraftwerksbaus Lübbenau und der Braunkohlengruben  der Umgebung entstanden.

In der Grube Schlabendorf arbeitete ich in einem Sommer 3 Wochen im Gleisbau - eine sehr schwere aber lukrative Sache.   

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Straße der Einheit -  unserer Wohnhaus

 

 

Als Jurastudent gab ich eigentlich nur Gastrollen daheim. Dabei lernte ich die Spreewaldumgebung genauer kennen. Dies, zumal ich gern angelte. Durch warme Abwässer des nahen Kraftwerkes waren selbst im Winter in der Crimnitzer Kahnfahrt Schleien zu fangen.

Mein Freund Wolfgang war ebenfalls öfters bei Schmidts zu Gast. Wir beide unternahmen so manche Spreewaldtour. An die eine zum Barzlin erinnere ich mich noch mit gemischten Gefühlen..

Der Barzlin ist eine sandige Erhebung von ca. 1 Meter.

 

Sie befindet sich nördlich von Lübbenau zwischen Spree und dem Burg-Lübbener Kanal, dicht an der Schleuse des Flüßchens Malxe in diesen Kanal.

 

Ausgrabungen ergaben eine Besiedlung bereits vor mehr als 1000 Jahren.  Slaven errichteten aus Holzstämmen und Erde eine Burg. Sicherlich ähnlich der neu erbauten Slavenburg in Raddusch. Der Burgwall wurde in späterer Zeit für den Park im Lübbenauer Schloßpark abgetragen.

 

In der Zeit Anfang der 60´er Jahre sollte gerüchteweise der Barzlin in eine Kleingartenkolonie umgewandelt werden. Glücklicherweise unterblieb dies . Heute ist der Barzlin ein Naturschutzgebiet, umgeben und erschlossen mit Wander- und Radfahrwegen.

  

Also, mit Wolfgang hatte ich eine Fahrrad-, Zelt- und Angeltour in den Spreewald zum Barzlin vereinbart. Entlang der Crimnitzer Kahnfahrt ging es flott vorran. Dann mußten die schwer bepackten Räder über mit hohem Gras bewachsene Wiesenpfade geschoben werden. Als ich mich einmal nach Wolfgang umsah war er von einem  dichten schwarzen Mückenschwarm umgeben. Unser Schweiß Musste eine magische Anziehungskraft auf diese entzückenden Tierchen entwickeln. Die Feuchtwiesen boten ebenfalls hervorragende Lebensbedingungen. Der Spreewald wurde seinem Ruf ein Mückenparadies zu sein im vollsten Masse gerecht. Erschöpft kamen wir am Barzlin an. Ein trockenes Plätzchen wurde gefunden und das Zelt errichtet. Es war ein schon betagteres 4-Personenzelt. Das Dach war leicht löchrig. Deshalb deckte ein alter Eisenbahnerregenmantel von Vater die Undichtheiten ab. Die Feuerstelle errichteten wir nach alt bewährter Camperart mit einem Stock über einer Astgabel.

 

Alles geschah unter Mückengesummse. Mückenspray war uns noch unbekannt.

 

Die Gewässer sahen vielversprechend aus und die Angeln wurden eilig montiert. Dann - oh Schreck! - die Wurmdose vergessen. Man mußte improvisieren. Grasbüschel herausreißen und nach Würmchen durchforschen, auch nicht gerade angenehm . Aber es klappte. Nur die Fische, vor allem die erhofften Aale blieben auch in der Nacht aus. Kleinfischchen taten sich an den mühseelig gesuchten Ködern gütlich und nervten uns.

 

Nach Eintritt der Dunkelheit wurde Tee im offenen Topf gekocht. Bevor wir trinken konnten war erst mit einem Löffel eine Schicht Mücken abzuschöpfen. Und dann die Nacht - zuerst große Jagd im Zelt. Die kleinen Biester fanden jedoch immer wieder einen Weg hinein. Man mußte ja mal müssen, die Angelglöckchen bimmelten und bei jeder Zeltöffnung fiel ein ganzer Schwarm ein. Mit der Morgenkälte zog endlich Ruhe ein. Gegen Mittag wurde die berühmt berüchtigte Erbswurst gekocht und mit Bockwurst veredelt. Danach gepackt und auf gleichem Wege wie am Vortag ging es heim. Trotz der Mückenplage und der etwas geschwollenen Gesichter waren wir glücklich und mit dem Naturerlebnis zufrieden.

 

Und oh -, Wunder geschehen immer wieder! Die Wurmdose fand sich beim Packen ein. Sie war seltsamerweise an einer Ecke vom Zelt überbaut worden.

 

 

---Ende----